Fortuna Köln: Interview mit Tim Boss
"Stadt-Derby gegen 1. FC Köln? Hätte ich Bock drauf"
Fortuna Köln zählt zu den großen Überraschungsmannschaften dieser Saison. Zumindest der Relegationsplatz befindet sich in Schlagdistanz. Torhüter Tim Boss hat großen Anteil daran. Im exklusiven Liga-Drei.de-Interview spricht der 24-Jährige über die Gründe für den Aufschwung, seinen Weg in den Profifußball und ein mögliches Stadtderby gegen den 1. FC Köln.
Herr Boss, letzte Saison spielte Fortuna Köln gegen den Abstieg, nun plötzlich um den Aufstieg. Wie ist dieser Umschwung zu erklären?
Tim Boss: „Wir haben eine komplett andere Mannschaft als in der vergangenen Saison. Anfang dieser Spielzeit hatte niemand mit uns gerechnet. Wir konnten ganz befreit aufspielen. Dass der Saisonstart dann so gut lief, gab uns viel Selbstvertrauen.“
Sie haben es selber angesprochen: Der Kader erlebte im Sommer einen größeren Umbruch. Viele Spieler aus der Aufstiegssaison 2013 / 2014 hatten den Verein verlassen. Dafür kamen neue Spieler mit wenig Drittligaerfahrung hinzu. Trotzdem scheint die Mannschaft vom Saisonstart an zu funktionieren. Wie war diese schnelle Findungsphase zu erklären?
Boss: „Ein großer Bonuspunkt war, dass wir uns in den ersten zwei Wochen des Trainingslagers so hervorragend verstanden haben. Das hat sich dann auf den Platz übertragen. Wir haben einfach einen besonderen Geist in der Mannschaft.“
Kürzlich gab es allerdings eine Durststeckte mit nur einem Sieg aus zehn Spielen. Wo lagen die Gründe für diese Ergebniskrise?
Boss: „So etwas hat immer viele Gründe. Wir hatten ein großes Verletzungspech. Wichtige Spieler sind uns weggebrochen. Uns fehlte auch das Match-Glück. Viele Spiele, bei denen beide Mannschaften auf Augenhöhe agiert haben, haben wir plötzlich verloren. Wichtig war, dass trotzdem keine Unruhe aufkam. Wir wussten: Wenn wir unsere Leistung bringen, fahren wir bald wieder Siege ein. So kam es dann ja auch.“
Lassen Sie uns über Ihren Werdegang sprechen: Sie stammen aus der Jugend von Bayer 04 Leverkusen, spielten in deren A-Jugend dann aber plötzlich keine Rolle mehr und sind zum Wuppertaler SV gewechselt. Was genau lief in Leverkusen schief?
Boss: „Ich hatte eine wundervolle Zeit in Leverkusen. Aber irgendwann kam eben der Zeitpunkt, an dem ein weiterer Verbleib keinen Sinn mehr gemacht hätte. Bayer Leverkusen hatte geplant, mich bereits als jungen U-19 Spieler in die U-23 hochzuziehen. Dort wäre ich aber nur Ersatztorhüter gewesen. Ich wollte unbedingt spielen. Daher verließ ich Leverkusen.“
Bei Fortuna Düsseldorf haben Sie das Tor der zweiten Mannschaft in der Regionalliga gehütet. Wie nahe waren Sie damals an der Profimannschaft dran?
Boss: „Ich wurde nach einem halben Jahr in den Profikader hochgezogen und war eineinhalb Jahre tagtäglich im Training dabei. Daher war das eine sehr positive Erfahrung für mich – auch wenn ich nur für die U 23-Mannschaft gespielt habe.“
Hatten Sie Hoffnung, sich bei Fortuna Düsseldorf zur Nummer 1 hocharbeiten zu können?
Boss: „Ich hätte jedenfalls noch länger bei der Fortuna bleiben können. Was daraus geworden wäre, weiß ich nicht. Mir wurde allerdings nie gesagt, dass ich wirklich Chancen auf die erste Elf hätte. Daher habe ich einen anderen Weg gewählt, bin zusammen mit meinem ehemaligen Torwarttrainer nach Wattenscheid gegangen und habe dort Spielpraxis gesammelt. Das war ein wichtiger Schritt für mich. Ein Jahr später bin ich dann zu Fortuna Köln gekommen.“
In der ersten Saison waren Sie die Nummer 2. In der vergangenen Saison gab es dann praktisch eine Torwart-Rotation zwischen Ihnen und Andre Poggenborg. Wie haben Sie das empfunden?
Boss: „Ich bin mit der Zielsetzung nach Köln gekommen, die Nummer 1 zu werden. Das ist mein Anspruch. Ich hatte bereits in meiner ersten Saison zehn Ligaspiele gemacht. Das hat mir gezeigt, auf einem guten Weg zu sein. Die zweite Saison war natürlich ein kleines Hin und Her. Und nun bin ich Stammtorhüter.“
Wie hatte sich angedeutet, dass Sie als Nummer 1 in diese Saison gehen würden?
Boss: „Mir wurde bereits bei meiner Vertragsverlängerung gesagt, dass ich kommende Saison die Nummer 1 sein würde. Ansonsten hätte ich hier keinen neuen Vertrag unterschrieben. Klar ist aber, dass man diese Position immer verteidigen muss.“
Nun ist Andre Poggenborg plötzlich Ihr Torwarttrainier. Wie ungewohnt ist es, wenn der Konkurrent plötzlich der Trainer ist?
Boss: „Die Frage habe ich mir anfangs auch gestellt. Andre Poggenborg und ich hatten aber immer ein sehr gutes Verhältnis. Wir waren mehr als nur Konkurrenten. Daher funktioniert die tagtägliche Arbeit perfekt. Er weiß genau, was ich brauche und woran wir arbeiten müssen.“
Sie sagen, Sie waren mehr als Konkurrenten. Haben Sie auch negative Erfahrungen mit Torhüter-Kollegen gemacht?
Boss: „Hauptsächlich in der Jugend. Wenn ich an meine Zeit in Leverkusen zurückdenke: Da war das Miteinander nicht immer allzu nett.“
Der 1. FC Köln hat trotz der schwierigen Saison und dem vermeintlichen Abstieg viel Zuschauerzuspruch. Fortuna Köln hingegen hat einen Schnitt von rund 2500 Zuschauer. Fühlen Sie sich als Verein unterbewertet?
Boss: „Unterbewertet nicht unbedingt. Aber jeder weiß, dass wir in nächster Zeit nicht an den 1. FC Köln herankommen werden. Trotzdem spüre ich einen kleinen Wandel in Köln. Viele Fans vom FC drücken uns die Daumen, manchmal auch live im Stadion. Die Menschen spüren, dass bei Fortuna etwas entstehen könnte – auch wenn sich das in den Zuschauerzahlen noch nicht wiederspiegelt.“
Wie viel Lust hätten Sie in der kommenden Saison auf ein Stadt-Derby zwischen Fortuna Köln und dem 1. FC Köln?
Boss: „Ich hätte richtig Bock drauf (grinst).“
Und wie groß ist die Chance, dass der Aufstieg gelingt?
Boss: „In der Hinrunde war der Aufstieg nur ein weit entfernter Traum. Nun ist es unser Ziel. Wenn wir so weiterspielen, haben wir gute Karten.“
Vielen Dank für das Interview, Herr Boss!
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