Chapeau, Dennis Dressel

Ja, so ist das, wenn vier großartig erzielte Treffer eines einzigen Spielers wie eine Vitamin-Kur wirken und traurigen Fußball-Herzen ruckzuck eine neue Vitalität verschaffen. Denn die 3. Liga liefert mit einem Titel-Helden und seinen vier Genie-Streichen endlich wieder einmal positive Schlagzeilen, die – abzüglich der betroffenen Fußballer des Halleschen FC –  wohl jedem gefallen. Also das optimale Kontrastprogramm in schweren Zeiten wie diesen.

„Solche Auftritte wecken Begehrlichkeiten“, titelt die Münchner „Abendzeitung“. Und der Reporter des Bayrischen Rundfunks hat die Selektion der Match-Highlights sogleich einmal sprachlich aufgestylt und diese Bemerkungen geschaffen: „Herzlich willkommen zu den Münchner Dressel-Spielen“. Und Achtung: „Die Löwen sind völlig entdresselt.“

In diesem Fußballjahr 2020 waren bisher die SpVgg. Unterhaching der Lieblingsgegner dieses Dennis Dressel. Doch jetzt gibt es für ihn einen neuen Favoriten: Den HFC.

Der Reihe nach: Dank eines Dreierpacks des Dennis Dressel besiegten die Löwen Unterhaching zunächst Ende Juni am drittletzten Spieltag der vorigen Spielzeit 3:0. Und vor zwei Wochen beim 2:0 in Haching war Dressel abermals mit einem Treffer und einem Assist erfolgreich. Macht vier Treffer in zwei Spielen.

Zwei der vier Treffer haben Qualität für „Tor des Monats“

Doch jetzt hat er in seinem 45. Match in der 3. Liga seit Sommer 2017 seine Tore Nummer neun, zehn, elf und zwölf gefeiert. Mindestens zwei davon haben wohl die Qualität, um bei der November-Auswahl des „Tor des Monats“ in der ARD-Sportschau zum Zuge zu kommen.

Damals bei seinem Dreierpack in Unterhaching hat er seine Treffer noch mit blitzsauberen Salto-Überschlägen zelebriert. Diesmal hat er lieber die Glückwünsche seiner Teamkollegen entgegengenommen und sich brav bei Sascha Mölders bedankt. 

Denn die besonderen Fähigkeiten des Löwen-Leaders bleiben uns freilich auch an diesem Tage nicht verborgen. Zum Beispiel, wie er vor Dressels famosem vierten Treffer zum 5:1 den Flugball an der Mittellinie mit der Brust aufnahm, ihn gegen drei Hallenser behaupten und ihn dann noch in die Laufbahn des davongeeilten Dennis Dressel bugsieren konnte. So verkörpert Mölders auch mit 35 Jahren hier und da immer noch Bundesliga.

Doch das Rampenlicht allein gilt Dennis Dressel. Der ist erst 22 jetzt, doch schon seit seinem neunten Lebensjahr ein Löwe.

Die Münchner „Abendzeitung“ hat sich bei dieser Gelegenheit an Rudi Völler erinnert. Auch der hat einst einmal für die Sechziger vier Treffer in einem Match erzielt. Das war beim 7:0 über Wormatia Worms in der 2. Bundesliga. Über seinen frischen Nachahmer äußert sich Völler an dieser Stelle so: „Es hat mir sehr gut gefallen, dass Dressel mit beiden Füßen das Tor trifft.“

Also zurück auf das Spielfeld: Zum Zunge schnalzen das 1:0. Die Kopfballabwehr des Hallensers Vucur fliegt genau zum zwei, drei Meter vor dem Strafraum lauernden Dressel. Der kontaktiert den Ball optimal und dreht ihn mit seinem Zuckerfüßchen, mit seinem Linken nämlich, hoch oben in den linken Torwinkel.

Ein großartiger Treffer, der, würde er unter der Aufmerksamkeit der Bundesliga erzielt werden, wohl die Geburtsstunde eines neuen Wunderkinds des Fußballs festgehalten hätte. Sky und BILD würden dafür Sorge tragen.

Beim 5:1 erfolgreich im Wackelgang einer Ente

Zum Zunge schnalzen das 5:1: Die Entstehung ist wie beschrieben Mölders pur, die Vollendung Dressel pur: Wie im Wackelgang einer Ente, wie einst „Ente“ Lippens also, geht das linke Füßchen mal kurz nach rechts, dann wieder links, wieder rechts und plötzlich landet dieser so herrlich clever ausgeguckte Blattschuss aus 14 Metern ansatzlos im unteren linken Eck. Wieder unglaublich abgebrüht, überzeugend und mit einer großartigen Schusstechnik ausgeführt.

Dressels unmittelbar vor dem Pausenpfiff erzieltes 2:0 für die Löwen könnte wie eine Kopie des 1:0 durchgehen. Wieder lauert Dressel kurz vor der Strafraumgrenze in Schussposition. Wieder fliegt ihm die Kopfballabwehr des Gegners – diesmal kommt sie von Reddemann – entgegen und wieder macht es rums. Diesmal volley und mit rechts, wie Rudi Völler zu recht lobend registriert hat. 

Fehlt noch das 3:0 und hier war der Mann mit der Trikot-Nr. 14 dort erfolgreich, wo sonst meist Mölders zur Stelle ist: In der Position des Mittelstürmers. Ja, je offensiver eingesetzt, desto gefährlicher ist dieser Dressel. Doch im System von Michael Köllner ist er als „Achter“ aktiv. Somit viel unterwegs zwischen den Strafräumen. 

Doch es klappt ja trotzdem und der Fußball-Lehrer Michael Köllner weiß warum. Bei der Matchkonferenz bemerkte er mit freudiger Miene: „Dennis hat einen Schuss wie ein Gaul. Da heißt es, in Deckung gehen.“ Soll heißen: Für Dressel liegen die Brennpunkte eben nicht im Strafraum sondern außerhalb.

Hummels senior kennt den Weg in die Bundesliga

Als Dennis Dressel am Ende seines größten Tages als Fußballprofi vor die Fernseh- und Hörfunk-Mikrofone tritt, will Dressel von großen Siegesfreuden überhaupt nichts wissen. Stattdessen erzählt er genau das, was aus dem Munde des Trainers hätten stammen können: „In einer Woche in Dresden geht’s doch schon wieder weiter.“ Soll heißen: Dort muss ich alles wieder aufs Neue beweisen und dort  werden die Gegner verdammt gut aufpassen auf mich.

Immerhin hat er sich den Ball geschnappt, mit dem ihm dieses Vier-Tore-Festival gelungen ist. Den hat er als neuen Glücksbringer mitgenommen. Und diese frische geballte Ladung Selbstvertrauen sollte sich der neue Scharfschütze von der Grünwalder Straße ebenfalls mindestens eine Zeitlang bewahren können.

Was die Spekulationen über seine fußballerische Zukunft betrifft, weiß Dennis Dressel übrigens einen vernünftigen Mann an seiner Seite. Hermann Hummels, Vater des BVB-Leaders und einst jahrelang Ausbilder beim FC Bayern, kennt den Weg in die Bundesligen und wird ihn für Dressel wohl auch gestalten können. 

Die kleine Anzahl der Hummel-Klienten erklärt: Die Betreuung des Dennis Dressel ist mit viel Bedacht ausgewählt.

 

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